Petri Unheil!

Steff Aellig, 23.10.2016

Es ist ein richtiger Scheisstag. Man sollte das auch mal so klar sagen dürfen. Im Videoclip schneiden wir ganz bewusst keine alten Aufnahmen von gekrümmten Ruten und zappelnden Fischen rein. Und um das düstere Ende gleich vorweg zu nehmen: Der Tag wird nicht besser. Wir können’s beurteilen, denn wir sind bis zur Abenddämmerung drangeblieben. Sind dann am Nachmittag noch aufs Boot und haben alles ausprobiert, was normalerweise auf Egli zieht. Immer in der Hoffnung, die Beissphase käme noch.

Doch sie ist nicht gekommen – Petri Unheil, wirklich. Da triffst du dich mit einer guten Handvoll Jungfischern morgens um acht. Alle motiviert, auch wenn sie am Samstagmorgen um diese Zeit noch jugendlich verschlafen dreinschauen. Wir reiben uns die Hände – vor Kälte, nicht vor freudiger Erwartung – und ich fluche innerlich, dass ich nicht doch die langen Thermo Unterhosen angezogen haben. Doch, freudige Erwartung ist beim Händereiben auch dabei: Die Herbstsonne glitzert uns auf dem Wasser verheissungsvoll zu. Eigentlich müsste es heute ein guter Fischertag werden. Mein Sohn Silvan hat gestern Nachmittag die «Location ausgecheckt» und in zweieinhalb Stunden fast zwei Kilo Egli gefangen. Vom Boot aus zwar, aber in unmittelbarer Ufernähe. An diese Fische sollten wir heute mit den Jungs auch vom Ufer aus rankommen.

Bald einmal tönt ein stolzes «Ja, Fisch!» über das Wasser. Ok, kein Prachtexemplar, aber wie sagen die Profis auf den deutschen Fischerheftli-DVDs immer: «Klein, aber mein!» Ein zweiter folgt. Ein vielversprechender Anfang? Nein, das ist fast schon der Schluss, müssen wir uns rückblickend zerknirscht eingestehen. Nur, damit wir uns recht verstehen: Da sind Jungs dabei, die fischen uns gestandenen Fischervätern um die Ohren mit der modernen Spinntechnik. Holen drei Egli rauf, wenn wir bei einem sind.  Wenn diese Jungs schon nichts an den Haken kriegen, dann müssten wir Alten das Angelgerät eigentlich gar nicht auspacken, sondern könnten beim Kafi sitzen bleiben.

«Der Zweck der heutigen Übung war es doch, einigen Jungfischern das Fischen wieder etwas näher bringen», zeiht am Abend ein Kumpel das triste Fazit, «aber mit so einem Tag ging das gründlich in die Hosen.» Aber nicht nur für die Jungfischer ist es ein Frust. Natürlich herrscht Kaiserwetter: Jetzt wo die Sonne die Morgenkälte vertrieben hat, kann man fast im T-Shirt angeln. Und klar treffe ich mich gerne mit den anderen Fischern auf einen Schwatz, während man die Köder variantenreich durchs Wasser führt, bis man irgendwann keine Idee mehr hat, was man sonst noch ausprobieren könnte. Aber ich glaube, ich spreche für all jene, die heute so zahlreich auf und in ihren Booten vor der Mole stehen: Eigentlich will ich nur eines: Biss!

Ich schiele neidisch zum überübernächsten Fischer rüber, der in Trainerhose, grauer Kunstlederjacke und mit Zigi zwischen den Lippen locker auf seine Dropshot Rute klöpfelt – und immer mal wieder einen auf die Mole rupft. «Verdammt, was kann der, was ich nicht kann?», frage ich mich insgeheim. Ich pöpperle etwas schneller auf den Rutengriff, etwas langsamer, etwas kräftiger oder feiner. Nichts.

Dem direkt neben mir geht’s auch so. Und er bestätigt wieder mal meine alte Beobachtung: Was tun Fischer, wenn sie nichts fangen? Sie erzählen von früheren Fängen. «Genau hier», sagt mein Nachbar, und zeigt mit der Zigihand direkt vor sich aufs Wasser, «habe ich letzte Woche fünfzehn gehabt! Alles schöne. In einer halben Stunde. Einen nach dem anderen.» Er schiebt die Zigi wieder rein und kurbelt weiter. Was soll ich denn sagen? Dass ich jetzt noch in allen Fasern meines Körpers den Ruck spüre, als mir vor drei Tagen eine süditalienische Lampuga beim Biss fast die Rute aus der Hand gerissen hat? Und ich nachts immer noch vom Kreischen der Rolle träume, wenn sie im Drill Schnur nimmt und abtaucht, nur um fünfzig Meter weiter weg hoch aus dem Wasser zu springen? Ich sage gar nichts, denn die Ferien sind vorbei. Jetzt hat mich der Alltag wieder, und damit auch die Fischerei auf die Zicken-Egli vom Zürisee. Oh, hopp, doch noch Biss. Die feine Rute krümmt sich. Jawoooohl, geht doch!

 

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